- Was bedeutet Nichtbeherrschen des Fahrzeugs?
- Ist das Nichtbeherrschen des Fahrzeugs strafbar?
- Mit welchen Strafen ist bei Nichtbeherrschen des Fahrzeugs zu rechnen?
- Lohnt sich eine Einsprache gegen den Strafbefehl?
- Sollte man einen Unfall überhaupt der Polizei melden?
- Fazit: Das Nichtbeherrschen des Fahrzeugs kann hohe Strafen nach sich ziehen
Verkehrsteilnehmer können in der Schweiz des Nichtbeherrschens ihres Fahrzeugs beschuldigt werden. Sie haben die Pflicht, die Fahrweise stets den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen anzupassen. Versäumnisse können mit Geldbussen oder/und Freiheitsstrafen geahndet werden. Das gilt auch, wenn der Konsum von Drogen, Alkohol oder beeinflussenden Medikamenten das Nichtbeherrschen des Fahrzeugs verursacht hat.
Hier erfahren Sie, welche Vorsichtspflichten Sie haben, was unter Nichtbeherrschen des Fahrzeugs verstanden wird und wie Sie Einsprache gegen den Strafbefehl erheben können.
Was bedeutet Nichtbeherrschen des Fahrzeugs?
Sie haben auf glatter Fahrbahn einen Unfall verursacht oder sind nachts mit einem Reh kollidiert? Gut möglich, dass die Staatsanwaltschaft das als Nichtbeherrschen Ihres Fahrzeugs einstuft. Das gilt erst recht, wenn Sie alkoholisiert oder unter Drogen- bzw. Medikamenteneinfluss gefahren sind.
Als Fahrer haben Sie nach Art. 31 SVG die Pflicht, Ihr Fahrzeug ständig unter Kontrolle zu halten: «Der Führer muss das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann.»
Dazu gehört auch die situativ richtige Einschätzung der Geschwindigkeit (Art. 32 SVG): «Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen‑, Verkehrs- und Sichtverhältnissen.».
Sind Sie beispielsweise bei winterlichen Strassenverhältnissen unterwegs, müssen Sie nach Auffassung des Bundesgerichts grundsätzlich mit Eisbildung rechnen (BGE 82 IV 107). Falls nötig, bleibt Ihnen nur, Ihre Geschwindigkeit bis zum Schritttempo zu drosseln (BGE 101 IC 221ff).
Besondere Vorsicht gilt vor Ampeln oder Übergängen: «Vor Fussgängerstreifen hat der Fahrzeugführer besonders vorsichtig zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, um den Fussgängern den Vortritt zu lassen, die sich schon auf dem Streifen befinden oder im Begriffe sind, ihn zu betreten.» Art. 33 SVG.
Auch auf Kinder müssen Sie als Fahrzeugführer besonders achten: «Er muss die Geschwindigkeit mässigen und nötigenfalls halten, wenn Kinder im Strassenbereich nicht auf den Verkehr achten.» Art. 4 VRV.
Fazit: Bei Verkehrsunfällen ziehen die Behörden häufig ungeprüft den Schluss, dass die Ursache nicht angepasstes Führen des Fahrzeugs sei.
Ist das Nichtbeherrschen des Fahrzeugs strafbar?
Ein Unfall alleine lässt noch keinen Rückschluss auf das Nichtbeherrschen des Fahrzeugs zu. Können Sie das Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig anhalten, bedeutet das nicht zwingend, dass die Geschwindigkeit unangepasst war. Um die Schuld eines Fahrzeugführers festzustellen, müssen die Umstände geklärt werden:
- Welche Strassen- und Wetterverhältnisse herrschten zum Zeitpunkt des Vorfalls?
- War die gefahrene Geschwindigkeit auf diesem Strassenabschnitt erlaubt?
- War die Geschwindigkeit den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen angepasst?
- Beeinflussten Ablenkungen, Medikamente, Alkohol, Drogen oder der persönliche Gesundheitszustand den Fahrzeuglenker/die Fahrzeuglenkerin?
Erst mit einer genauen Analyse und möglichen Zeugenaussagen lässt sich die Situation bewerten. Dazu gehört auch die Einstufung in einfache und grobe Verkehrsregelverletzungen.
Einfache oder grobe Verkehrsregelverletzung?
Bei der Einschätzung der Schuld unterscheiden die Gerichte zwischen einer einfachen und einer groben Verletzung der Verkehrsregeln. Je nach zu verhandelndem Fall können auch beide Verkehrsregelverletzungen vorkommen.
Beispielsweise hat das Gericht des Kantons Glarus den Unfall eines Fahrzeugführers, der mit einem Lieferwagen und zwei Autos kollidierte, unterschiedlich bewertet:
- Wegen der fehlenden Anpassung der Geschwindigkeit an die Strassen- und Sichtverhältnisse wurde der Fahrer der einfachen Verkehrsregelverletzung schuldig gesprochen.
- Hinsichtlich des Nichtbeherrschens seines Fahrzeugs sprach es den Fahrzeuglenker dagegen der groben Verletzung für schuldig. Das Gericht warf dem Autofahrer u. a. mangelnde Aufmerksamkeit vor (BGer 6B_718/2011, 02.05.2012).
Mit welchen Strafen ist bei Nichtbeherrschen des Fahrzeugs zu rechnen?
Die einfache Verkehrsregelverletzung zieht nach Art. 90 SVG eine Geldbusse nach sich. Bei geringfügigem Verschulden können die Behörden von der Strafverfolgung absehen (Art. 100 SVG, Art. 52 StGB).
Grobe Verkehrsverletzungen können mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren geahndet werden (Art. 90 SVG). Dazu muss der Fahrzeuglenker durch seine Verkehrsregelverletzung andere in ernstliche Gefahr gebracht haben.
Tipp: Was Sie bei einem Strafbefehl tun können, erfahren Sie in unserem Artikel «Welche Möglichkeiten gibt es bei einem Strafbefehl?» Unsere Musterbriefe zur Einsprache machen es Ihnen einfach.
Wie verhalten sich Fahrer aus dem Ausland bei einem Bussgeldbescheid aus der Schweiz?
Sie waren als Tourist oder während einer Geschäftsreise in der Schweiz? Im Nachhinein erhalten Sie den Bescheid über eine Geldbusse an Ihre Heimatadresse? Hier gilt: Innerhalb der EU können die Bussen untereinander vollstreckt werden. Da die Schweiz jedoch nicht der EU angehört, laufen Bussgeldbescheide beispielsweise in Deutschland ins Leere.
Wichtig: Allerdings kann eine nicht bezahlte Busse bei Wiedereinreise in die Schweiz zu grossen Problemen führen. Bevor Sie sich entscheiden, die Geldbusse der Schweiz nicht zu zahlen, lassen Sie sich am besten juristisch beraten.
Lohnt sich eine Einsprache gegen den Strafbefehl?
Auf eine genaue Analyse der Umstände verzichten die Strafbehörden häufig. In diesen Fällen unterbleibt auch die Prüfung, ob ein Verschulden geringfügig war. Die Folge: Trotz der gesetzlichen Verpflichtung, in leichten Fällen auf eine Bestrafung zu verzichten, wird diese verhängt.
Daher kann es sich lohnen, gegen den Strafbefehl Einsprache zu erheben. Sie können beispielsweise eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung geltend machen. Zudem haben Sie die Möglichkeit zu belegen, dass Geschwindigkeit und Fahrverhalten den zu erwartenden Verhältnissen entsprachen. Auch hierbei empfiehlt sich die anwaltliche Unterstützung.
Sollte man einen Unfall überhaupt der Polizei melden?
Ob Sie den Unfall melden oder sich mit dem Unfallgegner auf privater Ebene einigen, hängt von einigen Faktoren ab.
- Grundsätzlich gilt: Liegt ein Personenschaden vor, sind also Fahrer, Mitfahrer oder Passanten verletzt, müssen Sie die Polizei verständigen.
- Liegt lediglich ein Blechschaden an den Fahrzeugen bzw. weiterer Sachschaden vor (Hauswand, Gartenzaun etc.), entscheiden die Beteiligten, ob die Polizei notwendig ist.
- Ist die Schuldfrage ungeklärt, sollten Sie die Polizei benachrichtigen. Bitten Sie diese, den Sachverhalt und die Aussagen der Beteiligten aufzunehmen. So sind Sie auf der sicheren Seite.
- Sind Sie und der Unfallgegner sich einig, sollten Sie gemeinsam ein Unfallprotokoll erstellen, die Unfallstelle umfassend fotografieren und den Sachverhalt beiden Haftpflichtversicherungen melden.
Tipp: Aktuelle Protokollformulare erhalten Sie bei Ihrer Versicherung. Am besten füllen Sie bereits die persönlichen Daten aus und ergänzen im Schadensfall nur noch die übrigen Angaben. Weitere Infos rund um die Unfallaufnahme finden Sie in unserem Artikel «Auffahrunfall in der Schweiz: Regelungen & Konsequenzen».
Fazit: Das Nichtbeherrschen des Fahrzeugs kann hohe Strafen nach sich ziehen
Wer in der Schweiz durch unangepasstes Fahrverhalten einen Unfall verursacht oder andere in Gefahr bringt, riskiert den Vorwurf des Nichtbeherrschens seines Fahrzeugs. Winterliche Strassenverhältnisse, Wildwechsel oder stressiger Feierabendverkehr bieten reichlich Herausforderungen, um allen Vorsichtspflichten nachzukommen. Bei Fehlverhalten macht die Strafbehörde einfache oder grobe Verkehrsregelverletzung geltend. Ein Vorwurf, der in der Praxis bis zu 3 Jahren Freiheitsentzug bedeuten kann.
Tipp: Als betroffener Verkehrsteilnehmer haben Sie die Möglichkeit, gegen den Strafbefehl Einsprache zu erheben. Vor allem, wenn Behörden die erforderliche Prüfung des Sachverhalts unterlassen haben, kann Ihre Einsprache erfolgreich sein.