Die beiden Begriffe Überstunden und Überzeit werden meist im selben Kontext genannt. Tatsächlich gibt es elementare Unterschiede zwischen diesen beiden Arten der Überarbeit. Welche das sind, mit welcher Zusatzvergütung Sie rechnen und wann Sie Ihre Ansprüche in Freizeit kompensieren können, erfahren Sie hier.
Unterschied Überstunden und Überzeit
Was sind Überstunden?
Arbeitsstunden, die über die vertraglich oder tariflich vereinbarte Normalarbeitszeit hinaus geleistet werden, nennt man Überstunden. Geregelt sind Überstunden in Einzelarbeitsverträgen, Gesamtarbeitsverträgen oder Normalarbeitsverträgen sowie in Art. 321c OR. Gibt es keine entsprechende Regelung, gilt die übliche Arbeitszeit nach Art. 321c Abs. 1 OR.
Für Teilzeitbeschäftigte gilt diese Regelung analog: Stunden, die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, also über die Teilzeitarbeitszeit, gelten als Überstunden. Abweichend dazu dürfen Arbeitgeber und Arbeitnehmende jedoch vereinbaren, dass nur Arbeitsstunden als Überarbeit vergütet werden, die über die betriebsübliche Arbeitszeit hinausgehen.
Was bedeutet Überzeit?
Überzeit wird die Arbeitszeit genannt, die über die gesetzliche Höchstarbeitszeit pro Woche hinausgeht. Je nach Branche sind das 45 oder 50 Stunden. Details finden sich im Arbeitsgesetz unter Art. 9 ff ArG:
„Die wöchentliche Höchstarbeitszeit beträgt:
- 45 Stunden für Arbeitnehmer in industriellen Betrieben sowie für Büropersonal, technische und andere Angestellte, mit Einschluss des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels;
- 50 Stunden für alle übrigen Arbeitnehmer.“
Kann der Arbeitgeber auf die Leistung von Überstunden bestehen?
Manche Arbeitgeber sehen Überstunden als Teil des gewöhnlichen Arbeitspensums an. Arbeitnehmende fragen sich daher, ob sie überhaupt Überstunden leisten müssen und wenn ja, wie oft. Schliesslich haben Arbeitnehmer ihre Leistung grundsätzlich innert der Normalarbeitszeit zu erbringen. Dabei gilt die vertraglich oder tariflich vereinbarte Wochenarbeitszeit als Massstab.
In besonderen Situationen sind Mitarbeiter jedoch zur Übernahme von Überstunden verpflichtet.
Folgende Voraussetzungen müssen dabei gemeinsam erfüllt sein:
- Überstunden müssen notwendig sein. Wenn das ungewöhnliche Arbeitspensum nicht vorhersehbar war, beispielsweise durch erkrankte Mitarbeiter, sind Arbeitnehmer verpflichtet, Überstunden zu leisten. Das gilt auch bei notwendigen Rechnungsabschlüssen, Inventaraktivitäten und Insolvenzmassnahmen.
- Kommt der erhöhte Arbeitsanfall jedoch zur üblichen Zeit, beispielsweise weil es sich um ein Saisongeschäft handelt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, organisatorische Vorkehrungen, z. B. durch Aushilfskräfte, zu treffen. Dann besteht keine Pflicht für Arbeitnehmende, sich an den Überstunden zu beteiligen. Das gilt auch für den Fall, dass die Mehrarbeit zu kurzfristig angesagt wurde.
- Überstunden sollen zumutbar und für den Arbeitnehmenden leistbar sein. Sie dürfen die physische und psychische Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter nicht überfordern. Auch darf das Wahrnehmen der familiären Pflichten nicht verhindert oder übermässig beeinträchtigt werden. Inwieweit diese Voraussetzungen zutreffen, muss von Fall zu Fall individuell entschieden werden.
Bei Teilzeitbeschäftigten sollten zudem mögliche weitere Verpflichtungen ausserhalb des Arbeitsplatzes berücksichtigt werden.
- Die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes (ArG) sind bindend: Nur wenn Arbeits- und Ruhezeiten sowie Entlohnung entsprechend der Regelungen des Arbeitsgesetzes erfolgen, sind die Voraussetzungen dafür gegeben, dass Arbeitnehmende Überstunden leisten müssen.
Zudem erwarten Arbeitgeber immer häufiger, dass Mitarbeiter in ihrer arbeitsfreien Zeit über Smartphone, PC oder Tablet erreichbar sind, auch in den Ferien. Während die Erreichbarkeit in Notfällen an Einzeltagen akzeptiert ist, steht die ständige Erreichbarkeit dem Erholungszweck der Ferien bzw. Freizeit entgegen. Die durch Bereitschaftsdienst oder Arbeitseinsatz beeinträchtigten Ferien-/Freizeittage sind daher dem Arbeitnehmer gutzuschreiben.
Entscheidet sich der Mitarbeiter aus eigenem Antrieb, sich während der arbeitsfreien Tage weiterzubilden oder sich über das Geschehen in seinem Betrieb zu informieren, gelten freie Tage als gesetzeskonform in Anspruch genommen.
Wie sind Vergütung und Verjährung von Überarbeit geregelt?
Grundsätzlich unterscheidet sich die Vergütung von Überstunden und Überzeit in mehreren wichtigen Punkten. Voraussetzung einer Entlohnungspflicht ist im Zweifel der Beweis, dass Überarbeit geleistet wurde. Dies können Zeiterfassungsdaten, E-Mails, Telefonate oder Aushänge leisten. Beweiskräftig sind nur solche Nachweise, die bestätigen, dass die Mehrarbeit angeordnet, betrieblich notwendig oder geduldet war.
Hat der Arbeitgeber Überstunden nicht angeordnet, aber geduldet, ohne Gegenmassnahmen zu ergreifen, reicht dies künftig als Nachweis aus. Auch wenn im Arbeitsvertrag eine Anweisungspflicht für Überstunden vereinbart wurde.
Tipp: Die Beweisführung ist grundsätzlich schwierig. Daher sollten Sie bereits mit Vertragsabschluss die Modalitäten klären, spätestens aber bei Aufkommen von Mehrarbeit, und sich diese schriftlich bestätigen lassen.
Entlohnung Überzeit
Überzeit darf nicht über 2 h pro Tag hinausgehen. Insgesamt dürfen pro Kalenderjahr 170 h (bei Höchstarbeitszeit 45 h p. W.) bzw. 140 h pro Kalenderjahr (bei Höchstarbeitszeit 50 h p. W.) an Überzeit geleistet werden.
Die Entschädigung für Überzeit ist verpflichtend, wobei eine gesetzliche Vergütungspflicht bestimmter Berufsgruppen erst bei mehr als 60 Stunden Überzeit pro Jahr eintritt (Art. 13 Abs. 1 ArG). Davon betroffen sind Büroangestellte sowie technische und andere Mitarbeiter inklusive des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels.
- Der Zuschlag zum Normallohn beträgt mindestens 25 %, sodass eine Gesamtvergütung von mindestens 125 % pro Stunde Überzeit erfolgt.
- Arbeitgeber und Arbeitnehmer können stattdessen einen Freizeitausgleich in gleicher Höhe festlegen. Wichtig: In diesem Fall entfällt der Zuschlag nach 13 Abs. 2 ArG.
- Die Entlohnung in Freizeit darf nicht zu lange aufgeschoben werden, sondern muss innert eines angemessenen Zeitraumes von 14 Wochen erfolgen. Besteht ein gegenseitiges Einvernehmen darüber, dass der Zeitraum verlängert werden muss, kann diese Verlängerung bis zu einem Jahr
- Eine Vergütung entfällt, wenn der Überzeitarbeitende bei einem Arbeitgeber tätig ist, für den das Arbeitsgesetz keine Gültigkeit hat.
- Auch höhere leitende Angestellte haben keinen Anspruch auf Überzeitvergütung, während leitenden Angestellten ein monetärer oder zeitlicher Ausgleich zusteht.
Grundsätzlich gilt für beide Seiten: Besteht ein berechtigter Anspruch auf Überzeitvergütung, kann auf diesen nicht wirksam verzichtet werden.
Entlohnung Überstunden
Überstunden werden wie bei der Überzeit mit einem 25 %igen Zuschlag, d. h. insgesamt mit 125 % vergütet. Diese Entlohnung kann abweichend zum Vertrag geändert oder vollständig in Abrede gestellt werden. Beides muss in Schriftform geschehen. Beispielsweise können die ersten 5 Überstunden im Lohn inbegriffen sein, die weiteren jedoch inklusive Zuschlag ausbezahlt werden.
Alternativ kann der Arbeitnehmende den Ausgleich in Freizeit von mindestens gleicher Dauer fordern. Vertragsformulierungen, nach denen eine Vergütung bereits geleisteter Überstunden nur in Freizeit erfolgen darf und die Auszahlung komplett ausgeschlossen wird, sind in einem bestehenden Arbeitsverhältnis nicht zulässig. Solche Abmachungen können nur für zukünftige Mehrarbeit getroffen werden.
Hat der Arbeitnehmende dennoch auf die Vergütung bereits geleisteter Überstunden verzichtet, kann er diese innert einer Verjährungsfrist von 5 Jahren erneut geltend machen.
Überarbeit leitender Angestellter
Entgegen vieler Arbeitgeber muss auch die Überzeit leitender Angestellter vergütet werden. Ob auch Überstunden zu entlohnen sind, hängt vom individuellen Vertrag ab.
Dagegen steht höheren leitenden Angestellten, wie Direktoren oder Betriebsleitern, keine Überzeitvergütung zu, weder in Freizeit noch in Lohn. Für sie gilt das Arbeitsgesetz (ArG) nicht.
Müssen und dürfen Lernende Überstunden machen?
Oft wird vermutet, dass Lernende keine Überstunden machen dürfen. Tatsächlich darf auch ein ausbildendes Unternehmen von seinen lernenden Arbeitnehmenden verlangen, dass Überstunden im Rahmen der Höchstarbeitszeit geleistet werden. Diese beträgt inklusive der Mehrarbeit 9 Stunden, plus Pausen 12 Stunden. Zeiten der Berufsschule am selben Tag müssen dieser Höchstarbeitszeit angerechnet werden.
Was passiert mit den Überstunden bei einer Kündigung?
Im Falle einer Kündigung sollten Sie frühzeitig die Entlohnung der aufgelaufenen Überstunden in der Personalstelle oder beim Vorgesetzten beantragen. Die Beweislast liegt dabei immer beim Arbeitnehmenden. Ein Mitarbeiter kann eine rechtsgültige Mehrarbeitsvergütung nur durchsetzen, wenn:
- … sie bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht ausgeschlossen wurde
- … die Anzahl der geleisteten Stunden belegt werden kann
- .. Überarbeit durch den Arbeitgeber angeordnet oder geduldet war
- … dafür keine Freizeit genommen wurde.
Sofern der Arbeitnehmer die Überarbeit nicht ausreichend belegen kann, ist eine gerichtliche Schätzung möglich.
Wird ein Mitarbeiter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freigestellt, kann dieser Zeitraum genutzt werden, um ein mögliches Überstundenkontingent in Freizeit abzufeiern.
Überstunden abfeiern oder auszahlen lassen?
Die Entscheidung, ob Überstunden in Freizeit genommen oder ausgezahlt werden, ist eine persönliche Entscheidung, die von vielen Aspekten abhängig ist. Allem voran sollten Sie die Ihnen zuständigen Überstunden berechnen.
Sofern Überarbeit angeordnet oder vom Arbeitgeber geduldet wurde, sollte die Berechnung der Stundenanzahl einfach sein. Die Tatsache, dass im gegenseitigen Einverständnis auf die Überstundenvergütung, nicht jedoch auf Überzeitzuschläge verzichtet werden darf, macht die Ermittlung dennoch kompliziert.
Ein Beispiel:
- Leistet die Büroangestellte Chatrina wegen unvorhergesehenen Arbeitsaufkommens 57 h in einer Woche, sind dies bei gesetzlichen 45 h Höchstarbeitszeit 12 h Überzeit (9 ArG).
- Sofern vertraglich auf eine Überstundenvergütung verzichtet wird, erhalten Büropersonal, technische und andere Angestellte inklusive des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels eine Überzeitvergütung erst ab der 61. Stunde im Kalenderjahr.
- Da Chatrinas Normalarbeitszeit gemäss GAV 38 Wochenstunden beträgt, fallen zusätzlich 7 Überstunden an, die der Büroangestellten zu vergüten sind.
- Alle berechneten Stunden sind mit 125 % zu entlohnen, es sei denn, es wurde im Vorweg auf die Überstundenvergütung verzichtet. Dann bleibt die zustehende Entlohnung der Überzeit (siehe Ziffer 2), die um Nacht-, Bereitschafts- oder Schichtarbeitszuschläge ergänzt werden kann.
- Möchte Chatrina stattdessen die Überzeit in Freizeit abgelten, sollte sie dies innert 14 Wochen tun. Mit dieser Entscheidung entfällt jedoch der Zuschlag.
Tipp: Aus steuerlichen und gesundheitlichen Gründen lohnt es sich oft, auf Geldmittel zu verzichten, und den Anspruch in Freizeit zu kompensieren. Ermitteln Sie Ihren Vergütungsanspruch der Mehrarbeit und die steuerlichen Abzüge. Entscheiden Sie erst dann auf dieser Grundlage.